Die
ABG schmückt sich ja selbst gern mit einer Vorreiter-Rolle im
Passivhaus-Bau: "Die Passivhaus-Macher. Klimaschutz made in Frankfurt." Am Beispiel von den im Sophienhof verwendeten Fenstern will ich einmal illustrieren, was dies in der Realität bedeutet:
So
betragen also die U-Werte (Wärmedurchgangskoeffizienten) der Fenster
von den drei Bauteilen im Sophienhof laut Dokumentation zwischen
0,888 und 0,903.
Die
Zertifizierungskriterien vom 05.05.2004 (zur Zeit des Baus gültig)
fordern jedoch U-Werte von unter 0,8 für Rahmen und Glas.
Das
Passivhausinstitut beschreibt die geforderte Qualität von Passivhausfenstern noch ausführlicher: "Als
entscheidend für die Funktion innerhalb eines Passivhauses hat sich
das Behaglichkeitskriterium
herausgestellt: Die mittlere Oberflächentemperatur der
Fenster-Innenoberfläche inklusive aller Anschlussdetails sollte am
Auslegungstag im Winter nicht mehr als 3°C unter der Raumtemperatur
liegen. Daraus lassen sich für jede Klimaregion Anforderungen an den
effektiven Fenster-U-Wert ableiten. Für Mitteleuropa, hier beträgt
die mittlere Auslegungs- Außentemperatur um -10°C, ergibt sich
daraus die Anforderung: Effektiver
Fenster-U-Wert nicht größer als 0,8 W/(m2K).
… Richtig spannend ist, dass durch die Anforderungen des
Passivhaus-Standards alle Behaglichkeitskriterien
automatisch optimal erfüllt
werden - eine erheblich bessere Wärmedämmung verbessert
zugleich die thermische Behaglichkeit." (Hervorhebungen vom Autor)(http://www.passivhaustagung.de/Passivhaus_D/Fenster_U_Wert.htm)
An
anderer Stelle heißt es:
"Der
Wärmedurchgangskoeffizient eines Warmfensters beträgt höchstens
0,80 W/(m2K) … Warmfenster werden in jedem Passivhaus-Neubau
benötigt."
Auch
in der Fachliteratur findet man unmißverständliche Angaben - ein
Beispiel:
"Der
Wärmedurchgangskoeffizient des gesamten Fenstersystems darf bei
Passivhäusern nicht größer als 0,8
W/(m2K) sein."
Dieter
Pregizer: Grundlagen und Bau eines Passivhauses, Seite 16
(Heidelberg: Müller, Hüthig, 2002, ISBN 3-7880-7727-1)
Dabei
ist der Geschoßwohnungsbau nicht etwa von diesen Anforderungen
ausgenommen - das nächste größere Passivhausprojekt unterbietet
die geforderten Werte für die Fenster sogar deutlich: Das
Passivhaus-Großprojekt in Innsbruck/Österreich verwendet Fenster
mit U-Werten von 0,72 und liegt damit unterhalb der geforderten Werte
(http://www.passivhausprojekte.de/projekte.php?detail=1225).
Ein weiterer befragter
Passivhaus-Experte fasste die Anforderungen so zusammen:
"Fensterelemente
müssen gemäß dem Passivhausstandard in Deutschland zur
Gewährleistung der Behaglichkeit einen Wärmedurchgangskoeffizienten
Uw < 0,8 W/m2K aufweisen. Als Zusatzkriterium wird weiter
gefordert, dass die eingebauten Fenster mit den Wärmebrückenverlusten
des Einbaus Uw < 0,85 W/m2K aufweisen."
Was
sagt nun der "Passivhaus-Papst" Wolfgang Feist zu diesem Thema?
“Comfort,
durability, performance, economy - all in favour for high performance
windows [...]
Therefor,
you would loose some advantages
which passive houses offer. That is why we recommend certified
windows.”
Herr
Feist bot sogar freundlicherweise an, sich die Zertifizierung des
Sophienhofes anzuschauen. Demnach
dürfen
für
Passivhäuser durchaus nicht-passivhaus-zertifizierte Komponenten
verwendet werden. Allerdings muß dann geprüft werden, ob trotzdem
alle Passivhaus-Kriterien erfüllt werden. Herr Feist versprach auch,
sich um die Beantwortung weiterer Fragen zu kümmern, z.B.
warum es im Sophienhof zum
Teil trotz
der angeblich
so
aufwendigen Überprüfung durch den Zertifizierer zu Schimmelbildung
in
der Nähe der Fenster kommt.
Leider
habe ich auf
diese Fragen nie eine
Antwort bekommen, sondern Monate später lehnte Herr Feist plötzlich
jede
weitere Antwort ab, mit der pauschalen Begründung, es seien schon
alle Fragen beantwortet. Wenn Herr Feist behauptet, der o.g. Nachweis
des Zertifizierers wegen der Fenster sei schon weitergegeben worden,
handelt es sich um eine glatte Lüge.
Fest steht: Für
den Sophienhof sind
nicht-passivhaus-zertifizierte
Fenster
verwendet worden. Das Behaglichkeitskriterium wird laut
Zertifizierer trotzdem erfüllt,
den
Beweis dafür will man aber offensichtlich nicht herausgeben.
In
der Praxis machen sich die Nachteile der weniger leistungsfähigen
Fenster mit Schimmelbildung, Abkühlung im Winter
und Überhitzung im Sommer negativ bemerkbar.
Wärmeverluste und Überhitzung in einzelnen Wohnungen verteilen sich
im
Geschoßwohnungsbau nicht
in dem Maße wie bei Einzelhäusern im Gesamtgebäude. Daraus
werden für die Bewohner im Laufe der Zeit deutliche Komfort- und
finanzielle Nachteile entstehen - für den Preis einer wahrscheinlich
erheblichen Kosteneinsparung des Bauträgers zur Zeit des Baus.
Man fragt sich nun doch, wie es sein kann, dass nur für die ABG auch hier wieder sonst anerkannte und verbreitete Standards und Richtwerte nicht gelten sollen?
Bei der Beantwortung dieser Frage sollte man nicht vergessen, das die Passivhaus Dienstleistung GmbH als Zertifizierer von vielen Gebäuden der ABG wirtschaftlich sicher in erheblichem Maße von den Aufträgen der ABG als angeblich weltgrößtem Passivhaushersteller profitiert und die ABG einer der wichtigsten Kunden der Passivhaus Dienstleistung GmbH sein wird.
Sehr traurig ist auch, daß den Passivhaus-Zertifizierern und selbst Herrn Feist die Bauindustrie und institutionelle Bauträger sehr viel näher zu stehen scheinen als die Passivhaus-Kunden – aber das ist ja vermutlich auch viel lukrativer (der ADAC läßt grüßen).
Ich
lasse den Leser nun selbst beurteilen, worin die tatsächliche
Vorreiterroller der ABG besteht ...