"Jedes Haus hat ein eigenes Treppenhaus mit einem Aufzug. Jedes Geschoss, sowie die Tiefgarage ist über den Aufzug barrierefrei zu erreichen."
(Baubeschreibung der FAAG zum Kaufvertrag für Eigentumswohnungen im Sophienhof)
"Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, [...] wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind."
(§4 Behindertengleichstellungsgesetz)
"Die große Anzahl von allen Altersklassen zwischen kleinen Kindern, deren Eltern und auch älteren Käufern, die besonders durch die barrierefreien Zugänge von den Vorteilen des Bauvorhabens überzeugt werden konnten, bewirkte ein buntes Treiben in den rd. 500 m2 Gewerbeflächen, die wir für das Fest hergerichtet hatten."
(aus einem Bericht über das Richtfest in der ABG Mieterzeitung Juli 2006)
"Offensichtlich gibt es aber Schwierigkeiten beim Betreten und Verlassen des Wohngebäudes über die Tiefgarage. Dieses ist von den Treppenhäusern und Fahrstühlen durch eine 'Schleuse' mit zwei (selbstschliessenden) Brandschutztüren getrennt, die im 90 Grad Winkel angeordnet sind. Elektrische Türöffner sind nicht vorhanden. Eine Barrierefreiheit im Sinne der HBO § 36 - Aufzüge und § 46 - bauliche Massnahmen für besondere Personengruppen sowie der Definition zur Barrierefreiheit des BGG § 4 ist daher leider nicht gegeben. [...] Dies wird möglicherweise von Älteren oder behinderten Bewohnern, aber auch von Familien mit Kinderwagen als Einschränkung oder gar Benachteiligung
wahrgenommen, zumal für diesen Personenkreis die zugesicherte Eigenschaft des barrierefreien Zugangs zur Tiefgarage vermutlich ein Argument für den Erwerb der Eigentumswohnungen war."
(Aus einer Email der Behindertenbeauftragten der Stadt Frankfurt an Frank Junker)
Auch barrierefrei? |
(Aus einer Email der FAAG an den Autor)
Als Eingeständnis des eigenen Fehlers kann man jedoch sicherlich werten, daß die "Geschäftsleitung" bei einem späteren Projekt der ABG - dem Neubauprojekt Hafeninsel Offenbach - an gleicher Stelle selbstöffnende Türen einbauen ließ. Man scheint also selbst Zweifel an der eigenen Position zu haben.
"Abschließend ist festzustellen, dass die vorhandene Situation der Durchgangsflure von den Aufzügen zur Tiefgarage weder als barrierefrei gemäß der Definition des HessBGG noch als rollstuhlgerecht gemäß der DIN 18025 Teil 1 zu bezeichnen ist. Sie ist weder für behinderte Menschen noch für anderweitig körperlich eingeschränkte Menschen (z.B. Alte, Menschen mit Kinderwagen) in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar. Die in der Baubeschreibung versprochene barrierefreie Erreichbarkeit der Tiefgarage ist trotz der Aufzüge nicht gegeben."
(Aus einem Gutachten einer Sachverständigen für Barrierefreies Bauen zum Sophienhof)
Selbst das Gegengutachten der FAAG kommt zu folgenden Feststellungen:
"Die Anfahrbarkeit der Türen muss gemäss vorbenannter Normen durch einen 50 cm Abstand vor der Wand zur Schlossmitte der Tür gewährleistet sein. [...] Jedoch wird das beschriebene Mass im Innenbereich der Schleuse an diversen Türen unterschritten. [...] Demnach ist die Norm in diesem Punkt nicht erfüllt. [...] Zur Prüfung des manuellen Kraftaufwands wurde [...] jede Tür untersucht. [...] Die dokumentierten Werte zeigen deutlich die generelle Überschreitung des Maximalwertes von 25 N Kraftaufwand für handbetätigte Türen."
Nun fragt man sich natürlich, wie die in der Tiefgarage vorgesehenen Parkplätze für Behinderte erreicht werden sollen, wenn die Durchgänge von den Treppenhäusern für Behinderte nicht passierbar sind ... vielleicht über die Rampe für Autos, die noch nicht einmal für Fussgänger freigegeben ist?
Sind wir hier vielleicht doch nicht in Frankfurt am Main sondern in Schilda? Oder ist es einfach nur eine besonders perfide Geschäftsmethode, Wohnungen als angeblich barrierefrei zu deklarieren und dann an Behinderte zu verkaufen?
"Die städtische Wohnungsbauholding ABG mit ihren rund 50000 Wohnungen hat sich selbst dazu verpflichtet, bei Neubauten mit mehr als zwei Geschossen ab 2011 Aufzüge einzubauen. Die Flure sollen [...] tauglich für Rollstühle werden. [...] Bei Altbauten könne nicht flächendeckend alles barrierefrei nachgerüstet werden, sagt Junker. Er will im Einzelfall nach individuellen Lösungen suchen."
(Frankfurter Rundschau am 08.01.2011)
"Es ist ja höchst lobenswert, daß sich die ABG für Barrierefreiheit sogar in Altbauten einsetzen und 'nach individuellen Lösungen suchen' will. Wenig glaubwürdig ist diese suggerierte Vorreiterrolle allerdings, wenn selbst in den Neubauten der ABG an Stellen, wo Barrierefreiheit versprochen wurde, die tatsächliche Bauweise dann von der Behindertenbeauftragten der Stadt Frankfurt als alles andere als barrierefrei bewertet werden. In den Ohren einer schwerbehinderten Mitbewohnerin mit wenig Platz zum Manövrieren muss das vorgebliche Engagement der ABG wie purer Zynismus klingen."
(Leserbrief des Autors in der Frankfurter Rundschau am 14.01.2011)
Gleichzeitig schreibt die Stadt Frankfurt letztes Jahr bereits zum vierten Mal einen Wettbewerb für behindertenfreundliche und barrierefreie Unternehmen aus - Vorschläge willkommen.
Soweit so gut - oder soll ich eher sagen "schlecht"? ... jeder bilde sich bitte selbst ein Urteil.
Für behinderte Menschen bietet oft schon der ganz normale Alltag genug Hürden, so dass sie sich nicht auch noch in eine langwierige und nervenaufreibende rechtliche Auseinandersetzung zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Barrierefreiheit einlassen können.
Und es sind nicht nur einige, wenige Menschen betroffen: So gut wie jeder ist irgendwann behindert - sei es nun früher oder später.
So viel für heute ... das nächste Mal ein heißes Thema: Der Sophienhof im Sommer.